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16 AUG- LWI

Mit Pfeil und StromstoB
Polizei bekommt Elektroschocker als Alternative zur Pistole
Von Amd Festerling (Frankfurt a.M.)
Der erste Einsatz e1ner Elektrolmpuls-Pistole helm Test durch deutsche Polizisten
war g1elch elne gute Tat. In der Nacht lum
Dienstag schoss ein Berliner Beantter einem LebensmUden In Kreuzberg lwei Na·
deln in den Lelb, der Colgende Elektro·
schock lien den 37.Jiihrigen zusammenbrechen, ehe er sich BUS dem Fenster sHineD
konnte. In Ihrem HerkunClsland USA sind
diese Warren schon Uinger im Einsatz.
Mit Stock und Trillerpfeife als einziger
Wehr leble der Bobby auC den Britischen
lnseln lange Zeit dem Kontinent vor, dass
Polizislen auch.o.h~dUcheWafTen ihren
Aufgaben oaCaH
t .m konnen. Auch
wenn sich das Hingst geandert hat, verkorpert der Bobby noch immer das Ideal des

Polizisten, der rabiate Gesetzesbrecher
(Iberwiiltigt, ohne mit einer FeuerwafTe
auf sie zu schieCen. Nach diesem Ideal
strebend bemiiht Bich die PoUzei, wafTen·
technisch die Lucke zwischen Trillerpfeife
und Pistole zu schlieCen.
Neben dem KnUppel entwickelte die Forschung zu diesem Zweck var aHem ver-

schiedene Reizgase. Die haben aber den
Nacbleil CUr den versprUhenden Beamlen,
dass er bei ungiinstiger Witterung oder in
geschlossenen Raumen selbst Opfer der
cbemischen Keule wird. DaB Ziel des Che·
mieangriffs kann schwersle GesundheitsschIiden davontragen oder sogar slerben.
Die N acbteile CUr die Beamlen sind mit
der Entwicklung der Elektroimpuls-WaCfen aus der Welt, der .,M26 Advanced Air
Taser" erlaubt dem Polizisten auch den
Elektroschock-SchuBs aus funC oder sieben
Metem EntCemung. Ein Laserstrabl hilCt

beim Zielen. Die WafTe verschieCt mit LuCt·
druck %wei wenige Zentimeter lange MetaUpfeHe mit Widerhaken, die sich in die
Haut oder durch die K1eidung des BescbosBenen bohren. Durch zwei Kabellwischen
pfeilen und Pistole wird ein StromstoC
von 18 bis 26 Watt (Ibertragen, der das Opfer bewegungsunCiihig macht. Anders als
bei Ltihmungswaffen mit geringerer Leistung wird durch die hohe Wattrahl das
Nervensystem tiberstimmt: Alle Muskeln
ziehen aich zussmmen, das Opfer wird -

lant Hersteller "Taaer international" - in
f6taler Raltung zu Boden gezwungen.
ZUT Dokumentation jedes Schusses iet
in die WafIe ein Speicher eingebaut, der
bei jedem AbCeuem Zeit und Datum registriert; injeder LuCtpatrone sind 40 Papierschnitzel mit dec Seriennummer dec Kar-

tusche, die am Ort des Abschusses verstreut werden. Die Benutzung des TaseTs
liisst sich also immer nachvollziehen, eine
Miiglichkeit, die auch CUr FeuerwafTen seit
langem geCordert wird.
Die .WunderwafTe aus den USA", wie
der HersteUer sie nennt, hat Creilich auch ,
Nachteile, die abeT ausschlieBlich auf Seiten der GetrofTenen Iiegen. Herzkranke
ader Angeschossene mit Kreislaufproblemen konnen kollabieren. Amnesty Intema~
tiona! berichtet von mehreren TodesCiillen
in den USA durch Taser. ScbIiefilich hinterliisst die Wolfe bei Poliristen womiiglicb
den Ca!schen Eindruck, sie sei ungefahrIicb. Auch bei der Misshandlung Rodney
Kings, die 1992 ru tagelangen Unruhen in
Los Angeles filhrten, war ein Taser im Einsatz. Den benutzte ein Polizist ru Beginn
der Pragelorgie, urn King zu liihmen - der
Wehrlose wurde donn, wie ein Video reigle, minutenIang geschlagen und getreten.
pOLtZEr

-"Abschreckung mit
Elektroschock
ine Pistole. die mit elektrischem Strol
'schieBt, macht Karriere bei dec be
tischen POlilei. Ocr ..Taser" verschieBt m
einer Reichweite von zchn Metero zw'
haarfeine Drahte. clercn Metallspitze
sich in die menschliche HaUl boheen un
einen Spannungsstoll von 50000 Volt i
den Korpcr Idten. Der gctroffene Mens(
wird schlagartig wehrlos. Langerfristir
Schaden, so versichert die britische Pol
zei, sind in den USA. wo das Gerat seit la"
gem in Gcbrauch ist, nkht beobacht{
worden. Bcdarf fUr nichttodlichc WafTe
wird von britischcn Strcifenpolizisten g(
rncldet, die es haufig mit Kriminellcn 7.
tun haben, die- unter dec Wirkung von A
kohal adee Drogen stehen. llishcr habc
die Polilistcn nur die Wahl zwischc
Gummikniippcl unci Pistole.

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Ele!<1roimpuls·Pistola Typ M26 Advanced Air Taser.

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(Bild: Peler Endig/dp,

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"Es gibt Grenzen

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Hans·Peter von Stoephasius, Fachhochschulprofessor
fUr Polizeiordnungsrecht, zu nicht zugelassenen Waffen
taz: Die PoHze! hat in der Nacht
zurn Dienstag erstmals eine
Elektroschock-Distanzwaffe
eingesetzt. War das rechtmaBigl
Hans-Peter von Stoephasius:
Auf den ersten Blick: Nein.
Was ist gegen den Einsatz des

man kann ihn nieht 1m Dienst
einsetzen.
Hatte der Polizeiprasident
Sie yorher als Experten befragt,
was hatten Sie ihm geraten?
AUe moglichen Arlen von Gutachten einzuholen und Versuchsanordnungen auszupro-

so genannten Tasers Zll sagen?

bieren, urn das Gerat Zll testeD.

Er ist eine Waffe, wird aber 1m Ge· Aber unabhangig vom Dienstbesetz tiber die Austibung des un- trieb. Wenn er das fUr eine wirkmittelbaren Zwangs (UZWG) same Waffe halt, gibt es auch annieht erwahnt. Damit darf er ei- dere Wege, das zu testen. Es ist ja
gentlich nicht von Polizeibeam- auch denkbar, dass sich da Freiten eingesetzt werden.
willige finden.
In def Tat hatten sich ja PoliDie PoUze! heruft sich darauf, dass die Waffe momentan
·zeibeamte selbst fUr Tests zur
.. :::t
1m Testbetrieb genutzt werde.
.Verfugung gestellt.
i" At·
""ann hatte es eine rechtli- Oas ist schwieriger. Oer OienstchE:
.mdlage geben mussen.
herr muss im Rahmen seiner
Hat der Beamte, der die Elek· Fiirsorgepflicht abwagen, ob er
trowaffe eingesetzt hat, damit das verantworten kann.
ein Problem?
Wie es ist in diesem Fall: 1st
Theoretisch' schon. Es handelt es iiberhaupt legitim einen
sich urn rechtswidriges Verwal- Selbstm6rder mit der Schusstungshandeln. und das stellt eine waffe aufzuhalten?
Amtspflichtverletzung dar.
Der Schusswaffengebrauch zur
Fallt das nicht in den Verant- . Gefahrenabwehr ist grundsatzwortungsbereich der Einsatz- lieh zulassig. Daran besteht in
leitung? Oder ist es jedem Be- diesem Fall kein Zweifel: Potenziamten freigestellt, welche Waf- elle Selbstmorder an ihrem Vorfen er im Einsatz benutzt?
haben zu hindern ist eine AufgaNein. Soiche Waffen mUssen bederGefahrenabwehr-unddanach dem UZwG dienstlich zuge- mit der polizei. Das Leben ist einlassen sein und zur AusrUstung fach ein hohes und damit schtitdes Beamten gehOren.
zenswertes Gut. Nur der GeKritlsiert am Taser wird vor brauch nieht zugelassener Wafallem, dass seln Gebrauch mag· fen 1st problematisch.
Ucherweise erhebliche Neben~
1st zu befiirchten, dass diese
wlrkungen hat. Auch die Pollzel neue, nlcht unmlttelbar tMIl·
gesleht eln, die Wlrkung nlcht che Pistole die Hemmschwelle
Zl.
.. 'Ulen. Muss die Verwalzum
Schusswaffengebrauch
tun~ nlcht slcherstellen, dass senktl
mogliche Folgen bekannt und Das ist eine Frage der FUhrung
untersuchl sind?
von Beamten. Der SchusswaffenDa gibt es eine klare Grenze: gebrauch wird von Beamtt'.n
Wenn man tiber die Wirkung Be- nieht gerade leichtfertig gehandscheid weill, kann ma.n den Taser habt. Grundsatzlich kann ich mlr
einsetzen. Hat man daruber kei- daher den Einsatz dieser Waffe
ne Erkenntnisse, muss man an- zurGefahrenabwehr vorstellen.
dere Testverfahren nnden, aber
INTERVIEW: DIRK HEMPel
•

Dpr Pol

1 H~lpr(l~il(j(~rlt.

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Gesetzlose
Heiden

Heiden fragt keiner mehr, ob
sie im Rahmen der Gesetze gehandelt haben, Es gibt nichts
Gutes, auBer man tut es. So
fUhlt man sich offenbar auch
bei der PoIizei. Die Elektroschockpistole hat einen Lebensmuden gerettet - nichts
anderes zahlt. Auch nicht die
fehlende Rechtsgrundlage.

16. AUG. too\

Kommentar

von DIRK HEMPEL
Stolz beriehtet die Polizeipressestelle, der mittels Strom·
schlag von 50.000 Volt niedergestreckte
potenzielle
Selbstmorder sei mittlerweile
aus dem Krankenhaus entlassen. Und auch die Gewerkschaft der Polizei will von ihrer Auffassung, vor dem Einsatz des Gerates musse erst
das Gesetz geandert werden,
nichts mehr wissen. "Die Ber·
liner Polizei hat noeh nie Waffen eingesetzt': fiirdie es keine
Rechtsgrundlage gebe, heiflt
es jetzt diplomatisch. Heiden
sind eben unangreifbar.
Taktisch war es durchaus
ein schlauer Zug: Die Elektroschoekpistole erstmals an einem LebensmUden zu testen
ist mit einem geringen Risiko
verbunden. Selbstmorder haben keine Lobby. Ware es
schief gegangen, hatte man
sich darauf berufen kOnnen,
dass der Mann ja ohnehin
nieht mehr leben wollte.
Erfolgreich is!, wer sich
trotzdem feiert, Mogen amnesty international. Grone una"
PDS oder unabhangige Juris~.
ten doch die Gesetzlosigkeit
der polizeilichen Heldentat
geiBeln. Es gibt genugend un·
kritisches Potefizial in der
Stadt, das die offizielle Version
•
brav nachbetet: EJektrowaffe
rettet Menschenleben.
Wurde man dieser Argumentation folgen, man mtisste eigentlich innehalten und
sieh fragen: Was ist das fUr
eine Waffe, die den Sinn und
Zweek ins genaue Gegenteil
verkehrt? Stan Leben zu beenden, rettet sie dieselben? Das
. ist haarstraubender Unsinn,
I nicht mehr und nieht weniger.
!
Und trotzdem ist die Polizei
! damit erfolgreich. Das nachste
I Mal wird man sieh auf diesen
Prazede.~zfall berufen k6nnen
I und lachelnd erklaren: OaI mals waren uns doch aile
dank bar, weil wir ein Leben

Kritik an der
Elektropistole
Oer erstmalige Einsatz der Elektroschockpistole "Taser" durch
die Berliner Polizei ist aufheftige
Kritik gestoBen. Der Polizeirechtsexperte Hans-Peter von
Stoephasius bezweifelt im tazInterview die RechtmaBigkeit
des Einsatzes. Ahnlieh auBerte
sich Norbert Schellberg (Grone).
Er beftirchtet, dass die Hemmschwelle fUr den Schusswaffengebrauch sinke...Wir werden die
weitere Entwicklung beobachten'; so Sehellberg. Auch amnes·
ty international fordert, den in
der Nacht wm Dienstag erst rna Is
eingesetzten Taser nieht mehr zu
benutzen. "Man kann nicht ein
Gerat so lange im Einsatz testen,
bis man merkt, dass Probleme
auftreten': sagte amnesty-SpreDHE
cherin Iris Schneider.
interview SEllE 22

PRESSEAUSSCHNlfTE

I 6. AUG. 200I

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Erste Erprobung
cler Elektrowaffen
abgeschlossen
Polizei wertet Tests aus

D~euzberg

37-jiihrige Durmus U. aus
hat die Klinik Wieder
verlassen. Ee hatte sich in dec Nacht
zum Dienstag das Leben neh~~n
wollen und war von cinem P~ltZlS.
ten mit einer Elektroschock-Plstole
(..Taser") niedergeschoss~n. worden. Nach Angaben der p'ohze, geht
es dem Mann den Umstanden e~t­

s rechend gut. Ernsthafte NachWlrk~ngen durch den Schuss se,en b,sher nieht festgestellt worden. sagle
ein Beamter.
.
Durmus U. hatte gedroht, au~ CI-

Dachgeschossfenster -emes
an dec Wiener StraEe
zu springen. AIle Versuche, den
Mann von cioem Sprung abzubnngen, scWugen fehi.

~o~nhauses

•

Darauthin feuerte ein Beamter
des
Spczialeinsatzkommandos
(SEIQ einen Schuss aus einer Elektroimpuls_ Waffe ab. Das war die
einzige Chance, ihm das Leben zu
, retten, sagle SEK-Chef Martin Textor, am Mittwoch. Mit dem Taser
werden zwei PfeiJe verschossen, die
uber·Driihte mit der Waffe verbunden sind. Beim Auftreffeh der Pfeile
werden 50000 Volt ubertragen. Sie
legen die Muskeln fur Sekunden
lahm.

Mark vorlaufig Wieder elngezogen.
Der Kreuzberger Einsatz Wird jetzt
taktlsch und technisch ausgewertet.
Danach Wird die Innenverwaltung
dariiber entscheiden. ob die Waffe
weiter erprobt und kUnftig zur ~tan­
dardausrfistung des SEK gehoren
Wird.
- Eine Entscheidung erhoffen sich
die Polizisten noch in diesem Iahr.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
wies Behauptungen zuruck, nach
denen die Rechtsgrundlagen fur einen solchen Einsatz fehlten. GdPLandesvorsitzender
Eberhard
Schonberg: "Das Gesetzzur Anwendung unmittelbaren Zwanges er~
laubt den Einsatz." (Is.)

Der Einsatz des amerikanischen
Tasers in Kreuzberg War dec erste

seiner An in DeutscWand. Seit Monaten hatten SEK-Beamte die Elektrowaffen zum Teil am eigenen Korper getestet. Unmittelbar nach dem
Abschalten des Stroms seien die
Polizisten Wieder fit gewesen, hieB
es aus dem Polizeiprasidium. Am
Dienstag wurden die acht Schockwaffen zum Stfickpreis von 800

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PRESSEAUSSCHNITTE

16. ~UG. toot

Fur Amt des
Pofizeichefs
(ddp). Die Deutsche Polizeigewerkschaft
(DPoIG) lehnt Oberlegungen Zur Abs affung des Amtes des Polizllipraside en in
Berlin B, Es sei »Unfug«, die P IzeifUhrung de Hauptstadt direkt in n Bereich
der Sena innenverwaltung
verlagern.
sagte DPo -Landeschef
If TaBler.. Bei
einem saleH n ScheHt s . die Gefahr eIner
politischen

flussn

me auf die Polizei

»besonders g B«, ie Senatsinnenver_
waitung tiberpr' nach Angaben einer
Sprecherin Vors I " ge zur Reform der Gesamtstruktur

rB

iner PoIizei. Danach

soli insbeson ere die
teilung offentliche
Sicherheit r lnnenve altung als LandcSpolizeip .isidium ausg taltot und der
Abteilun slciter zugleich i Personaluni.
on aue Landespolizeiprasi ot werden.
Tame fordcrte den Senat auf, 'esc »Ge.
dan nspieJc« aufzugeben und u vcrzugJieh cincn gceignctcn Nachfolg cr . das
Amt des Polizcipriisidelltrm zu prase

fen,

..

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